Der Aufstieg des Software Defined Vehicle in der Automobilindustrie

Willkommen zu accilium‘s neuer Serie „Der Aufstieg des Software Defined Vehicle in der Automobilindustrie“. Hier erforschen wir die größten Herausforderungen der traditionellen OEMs und Zulieferer und wie die Transformation zum SDV erreicht werden kann.

Die Automobilindustrie steht an der Schwelle eines tiefgreifenden Wandels, angetrieben durch die neuesten Technologien und die sich verändernden Kundenanforderungen. An der Spitze dieses Paradigmenwechsels stehen softwaredefinierte Fahrzeuge (SDVs), die eine neue Ära der Innovation und Funktionalität im Automobilbereich einläuten.

Mit der Weiterentwicklung der Automobillandschaft entstehen neue Anforderungen und Trends, die traditionelle Geschäftsmodelle und -praktiken in Frage stellen. Von der zunehmenden Bedeutung der Konnektivität und des autonomen Fahrens bis hin zur Nachfrage nach personalisierten Unterhaltungsangeboten, diese Veränderungen stellen die Branche und die entsprechenden Aktivitäten auf den Kopf.

Wir werden Einblicke in unsere tägliche Arbeit geben und unsere wichtigsten Erkenntnisse für eine erfolgreiche Transformation in eine neue Ära der Fahrzeugentwicklung mit Ihnen teilen. Dazu werden wir in den kommenden sechs Wochen in sechs Deep Dives eintauchen, um unsere Sicht der Dinge zu veranschaulichen:

  1. Unternehmensstrategie: Neuausrichtung von Unternehmen zur Sicherung der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit.
  2. Geschäftsmodell & Kunden: Anpassungen der Wertströme zur Erfüllung der sich ändernden Kundenanforderungen.
  3. Organisation: Umstrukturierung, um die Organisation zu enablen neue Anforderungen zu erfüllen.
  4. Produktentwicklung & Technologie: Einführung innovativer Ansätze zur Reduzierung der Komplexität bei gleichzeitiger Erfüllung der Anforderungen.
  5. Prozesse, Methoden & Werkzeuge: Änderungen an der Werkbank, um die Effektivität und Effizienz der Produktentwicklung zu gewährleisten.
  6. Lieferanten & Partnerschaften: Herausforderung der Lieferantenbeziehungen, um die Lieferfähigkeit der Unternehmen zu gewährleisten.

1. Unternehmensstrategie: Neuausrichtung von Unternehmen zur Sicherung der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit.

Traditionelle Kollaborationsstrategie vieler Unternehmen sind oft historisch gewachsen und stehen durch die Verschiebung der Wertschöpfung hin zur Software vor neuen Herausforderungen. Hierdurch können Unternehmen finanzielle Risiken entstehen, wenn beispielsweise Kundenanforderungen nicht umsetzbar sind oder Inhouse-Entwicklung sich nicht mehr rentiert.​

Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen sich Unternehmen durch klare Unterscheidungsmerkmale differenzieren und dies in ihren technischen Roadmaps abbilden. Die zukünftige Rolle der OEMs (Original Equipment Manufacturer) entwickelt sich daher hin zu „Integratoren“. Sie geben mehr Verantwortlichkeiten ab zu Zulieferern und Partnern, z.B. Tier 0,5-Suppliern, und öffnen sich neuen Share-Modellen, wie der Open-Source-Entwicklung, zusätzlich zu den klassischen Make- oder Buy-Strategien.​

Eine fundierte strategische Positionierung ist entscheidend zum Treffen von Entscheidungen in Bezug auf Make, Buy oder Share. Diese Entscheidungen werden dann von den entsprechenden Unterorganisationen, insbesondere in der Entwicklung und im Einkauf, umgesetzt.​

2. Geschäftsmodell & Kunden: Anpassungen der Wertströme zur Erfüllung der sich ändernden Kundenanforderungen.

Mit der zunehmenden Software-Integration im Auto verändern sich die traditionellen Wertschöpfungs- und Monetarisierungsmodelle. Die zunehmende Präsenz von Softwarefunktionen und die unterschiedlichen Produkt- und Entwicklungszyklen von Software und Hardware eröffnen neue Möglichkeiten der In-Car Monetarisierung. Zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit ist In-Car Monetarisierung sowie die Anpassung an eine verändernde Landschaft der Customer Experience unerlässlich.

Entscheidend ist ein end-to-end Mindset in Bezug auf die Customer Experience und die Abkehr vom veralteten SOP (Start of Production)-Fokus und –Denken. Durch Fokussierung auf langfristige Umsatzgenerierung anstatt auf unmittelbare Gewinne wird die Basis für eine zukünftige Wettbewerbsfähigkeit gelegt. Strategische Preisgestaltungs- und Marketinginitiativen sind wichtige Katalysatoren für die Transformation.

In enger Zusammenarbeit sind Entwicklung und Produktion dafür verantwortlich, die Monetarisierung im Fahrzeug technisch zu ermöglichen sowie sicherzustellen, die Release-Methoden und -Zyklen auf die mechanische Fahrzeugentwicklung und die Kundenbedürfnisse abzustimmen.

3. Organisation: Umstrukturierung, um die Organisation zu enablen neue Anforderungen zu erfüllen.

In der Zukunft werden E/E-Architekturen eine entscheidende Rolle bei der Bereitstellung modernster Kundenfunktionen spielen. Die aktuellen Architektur-Generationen stoßen an ihre Grenzen, sind unerlässlich zur Bewältigung und Reduktion von Komplexität in Fahrzeugen. Zudem sind zukunftsfähige E/E-Architekturen darauf ausgelegt die nächsten 15+ Jahre In-Car-Software-Updates zu unterstützen, um sicherzustellen, dass Fahrzeuge technologisch stets auf dem neuesten Stand bleiben.

Mit E/E-Architekturen, welche um einen zentralen Computer und eine zonale Struktur aufgebaut sind, kann maximale Flexibilität und Anpassungsfähigkeit erreicht werden. Dieses innovative Design ermöglicht nahtlose Änderungen und Upgrades während der gesamten Lebensdauer des Fahrzeugs. Durch eine starke Rolle und Mandatierung der Architekten kann ein strukturierter und nachhaltiger Ansatz für das Design der E/E-Plattform gewährleistet werden.

Um diese bahnbrechenden Fortschritte zu erzielen, bedarf es dem Start auf der grünen Wiese: Der Verzicht auf veraltete Brownfield-Methoden und ein kompletter Neuanfang sind der technologisch nachhaltigste Weg in die Zukunft. Unterstützung im gesamten Unternehmen ist unerlässlich. Signifikante Einsparungen durch die Vermeidung von Nachrüstungen und die Erschließung ungeahnter zukünftiger Kundenfunktionen zählen als Hauptargumente für den Wandel.

4. Ist auch die Organisationsstruktur mit den notwendigen Fähigkeiten und Kompetenzen bereit für die SDV-Ära?

Die OEM-Organisation mit einem starken SDV-Fokus wird sich erheblich von der eines traditionellen OEMs unterscheiden. Dieser Wandel wird verschiedene Aspekte der Organisation betreffen, von der Struktur und den Fähigkeiten bis hin zu den Prozessen und Partnerschaften.​​

Traditionelle OEMs, die durch starre, hierarchische Strukturen und durch siloförmige Abteilungsstrukturen gekennzeichnet sind, müssen zu einem integrierten und agilen Umfeld übergehen. Die derzeitige Belegschaft, die hauptsächlich in Hardware-Design und -Engineering ausgebildet ist, muss für die Softwareentwicklung ausgebildet sein. Darüber hinaus ist es entscheidend, sich auf die Talentakquisition und -bindung zu konzentrieren, insbesondere durch Partnerschaften mit Universitäten. Erhöhte Kooperationen mit Technologieunternehmen, Softwareanbietern, Cloud-Dienstleistern und Cybersicherheitsfirmen werden zusätzliches externes Fachwissen einbringen. Zudem wird die vollständige Nutzung von KI und digitalen Trends die organisatorische Robustheit und Resilienz stärken.​

​Ein SDV-orientierter OEM wird zukünftig agiler und softwarezentrierter sein, mit einem starken Schwerpunkt auf funktionsübergreifender Zusammenarbeit, kontinuierlichem Lernen und dynamischer Produktentwicklung. Diese Transformation erfordert die Anwendung neuer Technologien, die Förderung von Partnerschaften mit Technologieunternehmen und die Priorisierung datengesteuerter Entscheidungsfindung und Cybersicherheit.​

Nehmen Sie jetzt Kontakt mit uns auf!

Johannes Florian

Associate Partner

Michael Weingärtner

Associate Partner