Homeoffice – Die Entwicklungsfalle

Homeoffice wird seit einigen Monaten so viel diskutiert wie nie zuvor.

Die MitarbeiterInnen finden es wahnsinnig toll, die Anreise ins Office zu sparen. Jeden Tag gehen je nach Anfahrtszeit 1-2 Stunden wertvolle Freizeit oder Arbeitszeit verloren. Nicht nur das, auch viel produktiver arbeitet man zu Hause, da man ungestört ist. Kein Kollege stört, kein Gespräch zwischendurch. Nur über Telefon oder Videotelefonie erreichbar zu sein erleichtert die Abgrenzung.

Die modernen Führungskräfte unter uns fühlen sich endlich bestätigt, dass „Mobiles Arbeiten“, wie Homeoffice fälschlicherweise oft genannt wird, – denn was ist an Homeoffice mobil? – der richtige Weg ist. Für die Zukunft werden Büroflächen bereits kleiner kalkuliert. Man fühlt sich als fortschrittliche Führungskraft, wenn man den MitarbeiterInnen diesen Raum gibt. Hunderte Artikel mit Tipps wie man virtuell führt sind mittlerweile entstanden. Als Führungskraft könnte man fast meinen, dass einem die Kompetenz abgesprochen wird, auf neue Situationen im Umgang mit Menschen reagieren zu können.

Was mir allerdings völlig fehlt, ist der differenzierte Diskurs zum Umgang mit Homeoffice.

Da in unserer Gesellschaft die Ausbildung hinsichtlich fachlicher Kompetenz im Vordergrund steht und es so gut wie keine Grundausbildung an Schulen, Universitäten, usw. für soziale Kompetenz gibt, wird auch die Homeoffice-Diskussion einseitig geführt. Gerade mal die KollegInnen fehlen einem. Das ist aber nicht alles was den Menschen ein soziales Wesen sein lässt.

Ein Übermaß an Homeoffice schadet der persönlichen Weiterentwicklung

Ein wichtiger Gedanke, der mir viel zu kurz kommt, ist, wie schaffe ich eine der zentralsten Führungsaufgaben im Homeoffice umzusetzen – nämlich die Förderung der persönlichen Entwicklung?

Erfahrene ManagerInnen und Führungskräfte werden jetzt sofort an eine Reihe von MentorInnen, frühere ChefInnen, Coaches denken von denen sie gelernt haben:

  • wie man Menschen begegnet in der Führung und generell im Miteinander
  • wie man sich selbst führt und Vorbild ist
  • auf welche feinen Nuancen es in der Kommunikation mit seinem Umfeld ankommt
  • dass die Körpersprache mehr über sein Gegenüber aussagt als die vielen Worte aus dem Mund
  • dass viele der wertvollen Feedbacks für einen selbst dadurch entstanden sind, dass Chefs & Chefinnen, MentorInnen ja vielleicht sogar KollegInnen und MitarbeiterInnen das eigene „Tun“ beobachtet haben und, hoffentlich wertschätzendes, Feedback dazu gaben.

Die Liste ist noch deutlich länger und keiner dieser obigen Punkte lässt sich mit Telefon, Videokonferenz oder Virtual Reality Meetings ersetzen. Zumindest habe ich es die letzten Monate ausgiebig probiert und keine probate Methode gefunden, die persönliche Entwicklung des jungen und zukünftigen Führungsnachwuchses auf dem Level und der Geschwindigkeit zu halten wie vor dem Lock Down mit permanenter persönlicher Begegnung und persönlichem Kontakt. 

Das bringt mich zum Schluss, dass ein „Übermaß“ an Homeoffice ganz klar der persönlichen Weiterentwicklung schadet oder diese zumindest verlangsamt, denn die soziale Entwicklung von Menschen ist geprägt durch den direkten Kontakt und das direkte Miteinander. 

Meine 3 Botschaften zum Thema Homeoffice

1. Differenzierter Einsatz von Homeoffice

Ich hoffe, durch die Inhalte und das Teilen meiner persönlichen Führungserfahrung dazu beizutragen, dass die im Moment so „hippe“ Diskussion rund um das Homeoffice je nach Branche, Aufgabengebiet und Verantwortung in der Organisation deutlich differenzierter und realitätsgetreuer geführt wird. 

In Analogie zur Ernährung stellt sich der nachhaltige Erfolg durch kluge Ausgewogenheit ein und nicht durch Handeln in „Extrema“.  

2. Ganzheitliche Betrachtung der Homeoffice-Diskussion

All jene, die zum zukünftigen Homeoffice-Verhalten Studien und Artikel verfassen, ohne eine Leadership-Funktion auszuüben, bitte bezieht Führungskräfte mit ein. Das praktische Methodenwissen zur (Weiter-)Entwicklung der sozialen Kompetenz, als Grundlage für die Persönlichkeitsentwicklung ist essentiell. 

3. Verständnis für unsichtbare Erfolgsfaktoren in der Führungsarbeit

Es gilt auch die vielen jungen, ambitionierten Menschen in der Arbeitswelt zu sensibilisieren. Dort, wo es für die Homeoffice-Diskussion noch an Erfahrung bezüglich der Wichtigkeit der „unsichtbaren“ Erfolgsfaktoren in der Führungsarbeit fehlt, ist Aufklärung zum Verständniszugewinn erforderlich.

LATEST INSIGHTS: