E/E-Architekturen – die Lösung für die Entwicklung des Autos der Zukunft

E/E-Architekturen – Die Lösung für die Entwicklung des Autos der Zukunft

Mit dem zunehmenden Anteil von Elektronik- und Softwarekomponenten in modernen Autos wird es immer wichtiger, diese in eine logische Reihenfolge mit ihren mechanischen Gegenstücken zu bringen. Moderne Autos sind schon heute die komplexesten sicherheitsrelevanten Serienprodukte. Diese Komplexität wird jedoch durch die steigende Anzahl von Assistenz- und Kommunikationssystemen bis hin zu autonomen Fahrzeugen weiter zunehmen.

Um diese Komplexität zu bewältigen, haben die Automobilhersteller so genannte Elektrik/Elektronik-Architekturen (E/E) entwickelt. Wenn Sie sich für die Automobilbranche interessieren, haben Sie vielleicht schon von Daimlers EVA2 oder Volkswagens E³-Architekturen (End-to-End-Elektronik) gehört.

Für die Meisten anderen ist dieses Thema vielleicht schwer zu verstehen, daher werden wir versuchen es anhand eines einfachen und nachvollziehbaren Beispieles zugänglicher zu machen: Der Bau eines Hauses. Es wird daher von „dem Produkt“ gesprochen, wenn der Schritt vergleichbar mit dem Bau eines Hauses oder der Entwicklung eines Autos ist.

Credits by Anja Möstl, accilium

Das V-Modell – schrittweiser Ansatz zur Entwicklung eines Fahrzeugs

Ob der Bau eines Hauses oder die Entwicklung eines Autos, bestimmte Schritte müssen befolgt werden. Um nichts zu vergessen, ist es für Sie von Vorteil einen Plan zu haben, in dem diese Schritte aufgelistet sind. Bei der Entwicklung von Technologien wird dafür häufig ein Konzept verwendet, das als V-Modell bezeichnet wird.

Um es kurz zu machen: Das V-Modell enthält die Anforderungen für das Produkt um es zu entwickeln, ihre Zusammensetzung durch eine Architektur und die Schaffung technischer Lösungen auf der linken- und die Integration und den Test dieser Lösungen auf der rechten Seite. Je weiter man das V nach unten geht, desto detaillierter und granularer werden die Beschreibungen der genannten Schritte.

So kann das V-Modell helfen, die Komplexität Ihres Produktes zu bewältigen, indem es in überschaubare Teile zerlegt wird. Diese Teile können anschließend den verschiedenen spezialisierten Entwicklungsteams oder Auftragnehmern zugewiesen werden. 

Das bedeutet, dass alle folgenden Architekturschritte auf jeder Ebene des V-Modells berücksichtigt werden sollten, z.B. auf der Systemebene, wo das Produkt als Ganzes betrachtet wird, sowie auf der Subsystemebene, die sich auf eine kleine Fraktur des Gesamtsystems konzentriert, oder sogar auf der Komponentenebene, die den kleinsten einzelnen Teil des Produkts darstellt. 

Die Entwicklung eines Autos im Vergleich zum Bau eines Hauses 

Als ersten Schritt müssen Sie sich über die Anforderungen an Ihr Produkt im Klaren sein. Diese werden von verschiedenen Akteuren definiert: Die Kunden und ihre Wünsche, aber auch bestimmte Gesetze und Normen oder technische Grenzen, wenn es um die Konstruktion geht.

Alle diese Anforderungen nennen wir daher zusammenfassend die Anforderungen der Interessengruppen. Sie sind der Ausblick darauf, wie das Endprodukt aussehen soll. ​

Im nächsten Schritt müssen Sie diese externe Sichtweise in Anforderungen übersetzen, die Ihr Unternehmen versteht. Oft beschreiben Ihre Kunden dafür Situationen oder eher abstrakte Anwendungsfälle, die dann in Anforderungen umgewandelt und anschließend als bestimmte Eigenschaften oder Funktionen des Produktes formuliert werden müssen. So ist es für Ihre Experten verständlich und kann anschließend in das Produkt implementiert werden. Diese Anforderungen werden als Systemanforderungen bezeichnet, welche als interne Sichtweise auf Anforderungen Ihres Unternehmens angesehen werden kann.

Es ist äußerst wichtig, mit diesen Schritten ein ausgefeiltes Requirements Engineering zu gewährleisten. Wenn Sie sich zu niedrige Ziele setzen, werden Ihre Kunden enttäuscht sein; wenn Sie sich zu hohe Ziele setzen, wird Ihr Produkt übertechnisiert und zu teuer sein.

Nachdem das Produkt nun beschrieben wurde, beginnt die harte Arbeit. Alle Systemanforderungen müssen in einer umfassenden Architektur dargestellt werden. 

Dies bringt eine Reihe von Entscheidungen mit sich, die der Chefarchitekt mit den Interessensgruppen und seinem Expertenteam, welches ihm Lösungsvorschläge unterbreitet, treffen muss. Als Ergebnis wird eine grobe Struktur des Endprodukts festgelegt. Man kann diese Grobstruktur mit der Entscheidung vergleichen,, ob man ein kleines Holzhaus oder einen Wolkenkratzer baut, oder im Zusammenhang mit der Automobilindustrie, ob man ein Auto mit Verbrennungsmotor oder ein batteriebetriebenes Elektrofahrzeug baut.

Um ein großartiges Produkt zu entwickeln, müssen wir dann die eigentliche Architekturarbeit leisten, d. h. das Produkt in überschaubare Teile zerlegen. Um dies für komplexe Produkte wie Autos zu tun, müssen wir zwischen den folgenden Architekturen unterscheiden:

  1. eine funktionale Architektur
  2. eine logische Architektur
  3. eine technische Architektur.

Die funktionale Architektur bei der Entwicklung eines Fahrzeugs

Die funktionale Architektur beschreibt alle Funktionen, die das Produkt erfüllen muss und wie diese aufgegliedert sind. Die Hauptfunktionen werden aus den Systemanforderungen abgeleitet und auf einer realtiv hohen Ebene beschrieben.

Anschließend werden sie in kleinere, weniger komplexe Teilfunktionen unterteilt. Die funktionale Architektur beschreibt die Hierarchie der Funktionen und wie die verschiedenen Teilfunktionen miteinander verbunden sind, sie gibt jedoch nicht an, wie die Funktionen technologisch realisiert werden.

Die logische Architektur der Entwicklung eines Autos

Dies geschieht in der logischen Architektur. In diesem Schritt wird die funktionale Architektur in Prozessketten von abstrakten technologischen Elementen, wie Sensoren, Steuerungen oder Aktoren, beschrieben. Außerdem werden die Schnittstellen der verschiedenen Elemente definiert. Wie bereits erwähnt, werden die technologischen Elemente nur abstrakt beschrieben und es werden keine Parameter definiert.

Die technische Architektur der Entwicklung eines Autos

Im letzten Schritt, der technischen oder physikalischen Architektur, wird konkret beschrieben, mit welchen technischen Lösungen die Funktionen und Eigenschaften realisiert werden und welche Schnittstellen sie untereinander haben. Weiters werden alle Parameter definiert und CAD-Modelle oder Schaltpläne erstellt. Die physische Architektur kann als Entwurf für die Herstellung des Endprodukts angesehen werden.

Wie bereits erwähnt, müssen diese Architekturschritte für jede Stufe des V-Modells wiederholt werden. Es mag sich nach viel Arbeit anhören, werden diese Schritte aber befolgt, werden Sie sehen, dass es Ihnen bei der Entwicklung komplexer Produkte, wie z.B. Autos enorm helfen wird.

Die Architektur kann daher als eine der wichtigsten Disziplinen des Systems-Engineering angesehen werden und der Bedarf an E/E-Architekten wird weiterhin stetig steigen.