Alltags. Ob wir ChatGPT um eine schnelle Zusammenfassung bitten, personalisierte Einkaufsempfehlungen erhalten oder Kundenanfragen von Chatbots beantworten lassen – KI verändert still und leise, wie wir leben und arbeiten. Sie ist in Branchen von der Gesundheitsversorgung bis zum Transportwesen integriert, erschließt Effizienzpotenziale, automatisiert Entscheidungen und steigert die Produktivität.
Doch hinter dieser reibungslosen und scheinbar mühelosen Erfahrung verbirgt sich ein weit weniger sichtbarer Preis: Energie.
Der verborgene Energie-Fußabdruck alltäglicher KI
Rechenzentren mit Hochleistungsprozessoren bewältigen die massiven Rechenanforderungen von KI-Modellen. Je fortschrittlicher ein Modell, desto höher der Energiebedarf – insbesondere beim Training.
Zur Einordnung: Das Training eines einzigen großskaligen Modells wie OpenAI’s GPT-3 verbraucht rund 1.200 MWh¹ – mehr Strom, als ein mittelgroßes Kernkraftwerk in einer Stunde erzeugt, nämlich etwa 1.000 MWh². Zum Vergleich: Ein durchschnittlicher europäischer Haushalt verbraucht etwa 3 MWh³ pro Jahr – das GPT-3-Training entspricht also dem Jahresverbrauch von rund 400 Haushalten.
Selbst alltägliche Interaktionen sind nicht energie-neutral. Zum Beispiel:
Die Generierung eines KI-Bildes kann so viel Strom verbrauchen wie das Aufladen eines Smartphones – etwa 12 Wh⁴
Eine einzelne Eingabe bei einem großen Sprachmodell wie GPT-3 benötigt rund 1 Wattstunde – weniger als das Aufkochen eines Wasserkessels, aber signifikant, wenn man sie auf etwa 400 Millionen wöchentliche Nutzer von ChatGPT⁹ hochrechnet
Diese Zahlen mögen isoliert betrachtet klein erscheinen, doch durch die schiere Skalierung und Häufigkeit der Nutzung trägt KI substanziell zum globalen Stromverbrauch bei.

Wachsende Nachfrage trifft auf Effizienzgewinne
Die Entwicklung ist eindeutig: KI wird breiter eingesetzt, in mehr Sektoren, in größerem Umfang. Bis 2027 könnte der jährliche Energiebedarf durch KI bis zu 134 TWh erreichen – so viel wie ein ganzes Land wie die Niederlande verbraucht⁵. Rechenzentren, die heute etwa 2 % der globalen Stromnachfrage ausmachen, dürften bis 2030 auf über 3 % steigen⁶ – das entspricht rund 1.000 TWh jährlich, etwa dem heutigen Stromverbrauch Japans⁷.

Die gute Nachricht: Die Hardware entwickelt sich weiter. Fortschritte wie energieeffiziente Superchips von NVIDIA und bessere Kühlsysteme könnten den Strombedarf einzelner Aufgaben um bis zu das 25-Fache senken. Auch der Trend hin zu kleineren, aufgabenspezifischen Modellen – wie ihn DeepSeek zuletzt in den Medien verkörpert hat – sorgt für signifikante Effizienzsteigerungen gegenüber herkömmlichen, monolithischen Modellen. Allerdings werden diese technologischen Verbesserungen den insgesamt steigenden Bedarf wohl nicht vollständig kompensieren. Je allgegenwärtiger KI wird – von Echtzeit-Sprachübersetzung bis zu prädiktiver Analyse in industriellen Systemen – desto stärker wird der Energieverbrauch insgesamt ansteigen.
Strategische Implikationen für die Energiebranche
Dieses sich wandelnde Umfeld birgt sowohl Herausforderungen als auch Chancen für energienahe Branchen.
Auf der Chancen-Seite eröffnet das KI-getriebene Wachstum der Stromnachfrage Potenzial für Innovationen in Energieerzeugung, -übertragung und -speicherung. KI-Workloads und der Ausbau erneuerbarer Energien rücken dabei immer enger zusammen. Solar- und Windenergie können mit großflächigen Batteriespeichersystemen kombiniert werden, um die schwankenden Anforderungen KI-intensiver Rechenzentren zu bedienen.
Gleichzeitig muss die Infrastruktur mithalten. Konventionelle Stromnetze könnten durch lokale Nachfrageballungen aus Rechenzentren zunehmend belastet werden. Der Druck, das Netz gleichzeitig zu dekarbonisieren und wachsende Verbräuche zu unterstützen, erhöht die Komplexität zusätzlich.
Doch KI ist nicht nur ein Treiber der Nachfrage – sie kann auch Teil der Lösung sein. Bereits heute wird KI eingesetzt, um Netzbetrieb zu optimieren, Energieverbrauch zu prognostizieren und die Effizienz auf der Verbraucherseite zu steigern. Energieunternehmen, die KI intern nutzen, könnten nicht nur ihre Emissionen senken, sondern auch ihre Widerstandsfähigkeit und Kosteneffizienz steigern.
Positionierung für eine nachhaltige Zukunft
Da KI die Energielandschaft grundlegend verändert, müssen sich energiebezogene Unternehmen über kurzfristige Anpassungen hinaus strategisch aufstellen. Es handelt sich nicht bloß um eine technologische Weiterentwicklung – sondern um einen strukturellen Wandel, der proaktive, nachhaltigkeitsorientierte Strategien erfordert:
Investitionen in erneuerbare Kapazitäten und Netzinfrastruktur, um den sich schnell wandelnden und steigenden KI-Energiebedarf zu bewältigen
Zusammenarbeit mit Technologieunternehmen zur gemeinsamen Entwicklung von Lösungen, die Wachstum mit Umweltverantwortung und langfristiger Resilienz vereinen
Vorausschauende Analyse und Anpassung an veränderte Verbrauchsmuster – sowohl auf Industrie- als auch auf Nutzerseite – mit agilen, datenbasierten Strategien
Entscheidend wird sein: Wer Nachhaltigkeit in sein Wachstumsmodell integriert, führt nicht nur in der Energieversorgung – sondern auch beim Aufbau des digitalen Rückgrats einer KI-gestützten Zukunft.
Fazit: Die Schnittstelle zwischen Energie und KI
Künstliche Intelligenz ist eine technologiegeschichtliche Zäsur. Ihr Potenzial – Effizienz, Intelligenz und Reaktionsfähigkeit zu steigern – transformiert bereits heute Industrieprozesse und den digitalen Alltag. Doch diese Intelligenz hat einen physischen Preis. Diesem muss mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Jedes generierte Bild, jede beantwortete Anfrage, jedes trainierte Modell verbraucht Strom – oft unsichtbar für die Endnutzer.
Es entstehen bereits Tools, die den Energieverbrauch verschiedener KI-Modelle und Anwendungen vergleichbar machen – und so sowohl Entwicklern als auch Nutzern mehr Transparenz über ihren digitalen Fußabdruck geben. Der Aufbau von Energiekompetenz und digitaler Nachhaltigkeit ist zentral, um einen verantwortungsvollen KI-Einsatz auf allen Ebenen zu fördern.
Die doppelte Herausforderung ist klar: Wie können wir die gesellschaftlichen Vorteile von KI nutzen, ohne unsere Umweltziele zu gefährden? Für Energieversorger – und ebenso für Nutzer, Entwickler und Regulierer – liegt die Antwort nicht im Widerstand, sondern in der aktiven Gestaltung. Mit Weitsicht, Zusammenarbeit und einem gemeinsamen Bekenntnis zur Nachhaltigkeit kann Energie nicht nur Verbrauch ermöglichen – sondern Zukunft.
Sie wollen mehr erfahren?
1 Statista
2 US Department of Energy
3 Statista
4 MIT Technology Review
5 de Vries, A. (2023). Joule
6 International Energy Agency (IEA)
7Japan Ministry of Economy, Trade and Industry
8 NVIDIA
9 OpenAI