Der norwegische Weg für Stromnetze: Die Elektrifizierung des Verkehrssystems einer ganzen Nation – aber kann das Netz das verkraften?

Norwegen gilt als Vorreiter bei der Einführung von Elektrofahrzeugen (EV). Im vergangenen Jahr waren 50% der verkauften Neuwagen Elektro- oder Hybridfahrzeuge, im ersten Quartal dieses Jahres waren es sogar 60 %. Doch die Revolution der Elektrofahrzeuge in Norwegen kam nicht von allein – Steuerbefreiungen und verschiedene Vergünstigungen (niedrigere Mautgebühren, Busspuren und kostenloses Parken in mehreren Gemeinden) haben den Verkauf von Elektroautos stark angekurbelt, so dass die Gesamtbetriebskosten pro Kilometer niedriger, als bei einem vergleichbaren Benzinauto sein. 

Quelle: Gesamtbetriebskosten im Vergleich (TCO), DNV GL, 2019

Die obige Grafik veranschaulicht unsere Schätzung der Gesamtbetriebskosten für einen Benziner und ein batteriebetriebenes Elektrofahrzeug (BEV) mit Heimladung für 2018 sowie die Erwartungen für die Jahre 2025 und 2030. Die Zulassungssteuer für einen Benziner, von welcher BEVs befreit sind, führt zu einer wachsenden TCO-Lücke mit einem klaren Kostenvorteil für BEVs, was zu einem schnellen Anstieg der Verkäufe dieser Fahrzeuge führt, siehe unten.

Quelle: Anzahl der Zulassungen und Anteil der E-Fahrzeuge, DNV GL, 2019

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Die EV-Revolution – Schätzungen für den weltweiten Absatz von BEVs und die globale Energienachfrage

Auf der Grundlage unserer besten Schätzung der weltweiten Entwicklungen bei der Energienachfrage und -erzeugung prognostizieren wir eine sehr schnelle Verbreitung von leichten batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen, sobald sie die Kostengleichheit mit Autos mit Verbrennungsmotor erreicht haben, was voraussichtlich in fünf Jahren der Fall sein wird. Diese Verbreitung wird dann einem S-Kurven- Muster folgen, die mit der Geschwindigkeit der Einführung von Innovationen zusammenhängt, da sich die Batterietechnologien in den nächsten Jahrzehnten weiter verbessern werden. Wir gehen davon aus, dass bis Mitte der 2030er Jahre mehr als 50 % der weltweit verkauften Neufahrzeuge BEVs sein werden. 

Während die großen Automobilhersteller ihre Flottenelektrifizierung beschleunigen und schnell wachsende Verkaufszahlen für BEVs erwarten, ist der wichtigste Grund für das politische Interesse an der Förderung der Elektrifizierung des Verkehrs die Verringerung der lokalen Umweltverschmutzung und die Senkung der Treibhausgasemissionen. Die EV-Revolution wird in den kommenden Jahrzehnten zu einem erheblichen Anstieg der Stromnachfrage führen. Wir gehen davon aus, dass der weltweite Strombedarf für den Straßenverkehr von dem heute noch unerheblichen Bedarf auf fast 10.000 TWh bis zum Jahr 2050 ansteigen wird. Das ist ungefähr das 18-fache der gesamten Stromerzeugung Deutschlands oder das 180-fache von Österreich im Jahr 2018.  

Eine solche Wachstumsdynamik bei der Stromnachfrage ist präzedenzlos, insbesondere in einer Zeit, in der zumindest in den reicheren Ländern der Welt die Stromnachfrage aufgrund von Effizienzmaßnahmen zurückgeht. Obwohl die Stromnachfrage erheblich steigen wird, wird der Gesamtenergieverbrauch im Straßenverkehr zurückgehen. Trotz steigender Fahrzeugzahlen prognostizieren wir, dass der Energiebedarf im Jahr 2050 bei 90 % des heutigen Niveaus liegen wird, da moderne BEVs mehr als dreimal so energieeffizient sind wie Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Ein Vergleich der Energieeffizienz ist in der nachstehenden Abbildung zu sehen.

Quelle: Vergleich der Energieeffizienz von ICE und BEV, Daten des US Department of Energy; Graphical illustration by accilium, 2019

Quelle: Vergleich der Energieeffizienz von ICE und BEV, Daten des US-Energieministeriums; grafische Darstellung von accilium, 2019

So the question is: Can electric grids handle such a massive increase in power demand?

The short answer is YES they can, but as is so often the case, the devil is in the detail.

To explain this, we take a closer look at Norway again and at the national aggregate load in the distribution grid under different assumptions of load from BEVs in 2030.

The graph below shows a relatively small effect of EVs on the national aggregated load. This is caused by the fact that Norway is dominated by electrical heating. Thus, EVs do not dominate the load, but still give a visible impact, mainly depending on the charging patterns by EV owners.

“ data-wplink-url-error=“true“>US-Energieministeriums; grafische Darstellung von accilium, 2019

Die Frage ist also: Können die Stromnetze einen solchen massiven Anstieg der Stromnachfrage bewältigen?

Die kurze Antwort lautet JA, aber wie so oft steckt der Teufel im Detail.

Um dies zu erklären, schauen wir uns Norwegen noch einmal genauer an und betrachten die nationale Gesamtlast im Verteilungsnetz unter verschiedenen Annahmen für die Last von BEVs im Jahr 2030.

Die folgende Grafik zeigt einen relativ geringen Einfluss der E-Fahrzeuge auf die nationale Gesamtlast. Dies ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass Norwegen von der elektrischen Heizung dominiert wird. Daher bestimmen die E-Fahrzeuge die Last nicht, haben aber dennoch einen sichtbaren Einfluss, der hauptsächlich vom Ladeverhalten der E-Fahrzeugbesitzer abhängt.

Quelle: Charging pattern light BEVs in Norway – Expectation 2030, DNV GL, 2019 und NVE 2018; Charging pattern of BEVs impact the distribution grid in Norway, DNV GL, 2019

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Was wie eine kleine Spitze in der Grafik aussieht, wenn BEV-Besitzer im Jahr 2030 ihre Autos täglich am späten Nachmittag aufladen, könnte nach unseren Berechnungen zusätzliche Investitionen in das Verteilungsnetz von bis zu 1 Mrd. EUR nach sich ziehen. Wenn jedoch alternative Lademuster gefördert werden, könnten die potenziellen Investitionen erheblich gesenkt werden. Das Aufladen nur bei Bedarf am Nachmittag würde zu einer Verringerung um etwa 50 % führen, und das Aufladen in der Nacht würde nur eine geringe Investition in das Netz erfordern.

Die Verlagerung der absehbaren BEV-Ladung in Nebenverkehrszeiten wird nicht nur die zusätzlichen Netzinvestitionen verringern, sondern könnte auch von großem Wert für die Versorgungsunternehmen und ihre Kunden sein, da diese Unternehmen zusätzliche Umsätze erzielen, ohne ihre Netze zusätzlich zu belasten, und somit dazu beitragen, die Kosten pro kWh für die Kunden niedrig zu halten. Proaktive Maßnahmen der Versorgungsunternehmen, wie die Beeinflussung des Kundenverhaltens durch Echtzeittarife, könnten die Kunden belohnen, da sie das System weniger belasten. Darüber hinaus wird ein aktives Lademanagement mit intelligenten Ladelösungen zunehmend eingesetzt, um zu steuern, wann und wie schnell das Auto geladen wird.

Klingt gut – oder nicht? Allerdings ist die Elektrifizierung von Zügen, Lastkraftwagen, Bussen, Fähren und vielen anderen Fahrzeugen noch immer eine überwältigende Last und somit weiterhin eine potenzielle Bedrohung für das Stromnetz, welches oft, vor allem bei einer hohen Fahrzeugdichte, eine individuelle Betrachtung und lokalisierte Investitionen erfordert.

Um auf Norwegen zurückzukommen: Fähren sind eine der Triebfedern für solche Investitionen, aber es könnten auch Ladestationen für Busse, logistische Knotenpunkte oder BEV-Super-Ladestationen in Nordamerika oder Kontinentaleuropa sein.

Quelle: Geplante und bestehende Fährstationen in Mittelnorwegen, Mørenett, 2019

Lehren aus dem „norwegischen Weg“ – Elektrifizierung des Ökosystems der Mobilität

Das obige Bild zeigt ein norwegisches Beispiel, wo in den nächsten Jahren eine Reihe von 70 neuen Elektrofähren in Betrieb genommen werden sollen. Die Fähren halten nur für kurze Zeit an, damit Autos aus- und einsteigen können, und in dieser Zeit (oft nur 8 Minuten) muss die gesamte Energie auf das Schiff übertragen werden. Dieser hohe Strombedarf mit schnell ansteigenden und abfallenden Spitzenwerten kann eine Herausforderung darstellen. Außerdem befinden sich die Fähranleger in der Regel in dünn besiedelten Gebieten und am Ende einer schwachen Netzanbindung. Dies stellt das System vor eindeutige Herausforderungen und wirft die Frage auf, wie solche Spitzen am besten bewältigt werden können. Kann das Netz verstärkt werden, um diese Spitzen zu bedienen, oder kann ein Batteriespeichersystem am Kai das Problem lösen, indem es den Spitzenbedarf des Netzes reduziert und eine schnelle, leistungsstarke Aufladung der Fähre ermöglicht?

Die Antwort auf diese komplexe Herausforderung ist nicht einfach, da sie von den Netzvorschriften, der Tarifstruktur des Netzes und dem Geschäftsmodell für den Besitz und das Management der Batterien abhängt. Bislang war jedoch eine Batterie am Kai die vorherrschende Antwort, was wiederum die Frage aufwirft, wer Eigentümer und Betreiber der Batterien und der Ladeinfrastruktur sein sollte – nicht nur an Fährenhafen, sondern überall dort, wo ein neuer hoher Strombedarf besteht und die Netze Schwierigkeiten haben, diesen zu decken.

Die Branchen befinden sich im Wandel und suchen nach neuen Geschäftsmodellen und branchenübergreifenden Beziehungen. Dies zeigt sich nicht nur bei der Elektrifizierung des Verkehrs und der Ladeinfrastruktur, sondern auch bei den Entwicklungen für die künftige Tarif- und Marktgestaltung. In Norwegen gründen Energieversorgungsunternehmen neue Unternehmen, die Anlagen für die Aufladung im See- und Straßenverkehr besitzen und betreiben. In Deutschland bauen Automobilhersteller in ähnlicher Weise Ladenetze auf und werden sogar zu Stromversorgern. Solche Strukturen nehmen rasch zu. Der Vormarsch der Elektrofahrzeuge hat Auswirkungen auf mehrere Akteure, darunter den öffentlichen Sektor, die Versorgungsunternehmen und die Automobilhersteller; er schafft Herausforderungen und Chancen und bringt sie näher zusammen.

DNV GL und accilium helfen dabei, diese neuen und bevorstehenden Veränderungen zu inszenieren und bieten individuelle und skalierbare Lösungen für solch komplexe Probleme. Kontaktieren Sie uns jetzt, um herauszufinden, wie Ihr Unternehmen von den neuen Möglichkeiten in diesem schnell wachsenden Ökosystem profitieren kann.

 

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